Freitag, April 22, 2011

Semana Santa


Wenn in Cádiz Menschen in weißen und bunten Kutten mit spitzen Hüten im Bus sitzen wäre wohl der erste Gedanke eines Deutschen: was macht der Kuklux-Klan in Spanien?

Aber was auf den ersten Augenblick für deutsche / ausländische Augen befremdlich wirkt, ist auf den zweiten Blick eine Jahrhunderte alte spanische Tradition.

Semana Santa, die „heilige Woche“, wird die Woche vor Ostern genannt. Sie beginnt am Sonntag vor Ostern, endet am Ostersonntag und wird in Andalusien traditionell mit Umzügen gefeiert, wobei feiern hier nicht ganz zutreffend ist: Ganz im Gegenteil zu den üblichen spanischen Festen, bei denen es oft lauter und ausgelassener zugeht, ist die Semana Santa, vor allem gegen Ende der Woche um den Karfreitag, ein oft beeindruckend ruhiges Fest.

Sogenannte Bruderschaften (Hermandades oder Cofradías), die meistens einer Kirchengemeinde angehören, laufen in Prozessionen durch die Städte und Ortschaften und tragen dabei die traditionellen Kutten mit dem spitzen Hut, welcher nur zwei kleine Löcher für die Augen freilässt. Die Teilnehmer wollen Buße tun für die Sünden des vergangenen Jahres und sollen deswegen nicht erkannt werden. Um die „Sünder“ bei ihrem Bußgang zusätzlich zu strafen werden manchmal auch die Schalen von Sonnenblumenkernen auf die Straße gespuckt und viele der Teilnehmer laufen barfuß.

Jede Prozession besteht aus „Büßern“ (Nazarenos) in Kutten mit unterschiedlichen Farben und einem Altar (pasos), der von bis zu 200 Trägern gestemmt wird. Diese Aufgabe ist eine schweißtreibende Angelegenheit. Einige der größten Altäre wiegen mehrere Tonnen und sind über und über mit Gold und Silber verziert. Je älter der Altar desto größer wird er und jedes Jahr kommen weitere Applikationen hinzu.

Dabei unterscheiden sich die Altäre. Viele bestehen aus Marienstatuen, welche mit einem langen Schleier, umgeben von Kerzen, unter einem Baldachin sitzt und blutige Tränen weint.

Andere Altäre stellen die Szenen des Kreuzganges nach und bestehen aus Figurensets mit dem kreuztragenden Jesus mit trauernden Jüngern oder mit peitschenschwingenden Römern, die Jesus auf seinem Gang ans Kreuz antreiben. Diese Szenen werden häufig im Laufe des Tages mit Blütenblättern beworfen, so das gegen Ende des Tages die Figuren in einem Meer aus Blüten stehen. Noch ein paar Kilo mehr für die gequälten Träger.

Begleitet werden die Prozessionen von Marschkapellen, die die typischen Ostermärsche spielen. Beim ersten Hören klingen diese sehr familiär und gleichzeitig ungewöhnlich. Zum Rhythmus der Marschmusik spielen Blasinstrumente eine bedrückende und traurige Melodie.

Oft wird auch nur ein Rhythmus gehalten. Dieser dient den Trägern der Altäre als Takt. Da sie Fuß an Fuß im Dunkeln hinter Vorhängen unter den Altären versteckt sind, müssen sie sich allein auf den Rhythmus der Musik und den Taktgeber konzentrieren, der vor ihnen hergeht. Manchmal werden die Prozessionen von spontanen Gesangseinlagen unterbrochen, die Zuschauerinnen am Straßenrand a cappella anstimmen. Diese Gesänge erinnern sehr an die arabisch beeinflussten Flamencogesänge.

In der Nacht zum Karfreitag werden die Märsche nur von einigen wenigen Oboenspielern begleitet. Diese Prozessionen tragen den gekreuzigten Jesus durch die Stadt und am Abend wird für die Prozession das Straßenlicht ausgeschaltet und in den überfüllten Straßen herrscht eine Totenstille während die Prozession langsam vorbei schreitet.

In den schmalen Straßen andalusischer Dörfer und Städte, wie zum Beispiel im Altsstadtviertel La Viña in Cádiz gibt es kaum Platz, so dass man, an eine Wand gepresst die schwankenden Riesen nur knapp vor seiner Nasenspitze vorbeiziehen lässt. Wenn in den engen Straßen dann die laute Musik traurig in den Ohren scheppert, ist das ein Gänsehautmoment, den man so schnell nicht vergisst. Auch die Ehrfurcht die die Zuschauer den Prozessionen entgegenbringen beeindruckt. Viele berühren die Altäre beim vorbeiziehen, bekreuzigen sich und beten. Ältere Frauen brechen auch schon mal in Tränen aus.

Das alles ist ein sehr gegensätzliches Programm zu dem, was Ostern in Deutschland bedeutet. Hier gibt es ebenfalls noch einige Regionen in denen das Osterfest seiner eigentlichen Bedeutung als Kreuzigung und Wiederauferstehung von Jesus gedacht wird. Die meisten Deutschen sehen Ostern eher als das Fest der Schokohasen, der bunten Ostereier, die im Garten versteckt werden und der pastellfarbenen Frühlingsdeko, die in den Geschäften in diesen Tagen das Bild bestimmen. Und die meisten Jugendlichen wissen meist gar nicht mehr, welchen Ursprung diese Feiertage haben. Eine Hingabe an die religiösen Traditionen wie in Andalusien findet man hierzulande nicht mehr.

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